Retten von Erinnerung an die Todesmärsche 1945 ungarischer Jüdinnen und Juden und KZ-Häftlingen und Ermutigung zur Zivilcourage in der regionalen Bevölkerung, ein ganzheitlicher Zugang.
Erinnern – gedenken – mahnen
Einen wichtigen Schritt in Richtung Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit unternehmen die Pfarre und die Gemeinde Sierning am 26.Oktober 2017.
Im Zuge der Recherchen für das Buch „nirgendwohin. Todesmärsche durch Oberösterreich im April 1945“ konnten die näheren Umstände des Todes der am Sierninger Friedhof in einem Massengrab bestatteten Häftlinge des KZ Saurer Werke in Wien-Simmering und der am Friedhof erschossenen ungarischen Juden eines Todesmarsches geklärt werden.
Kurz nach dem Erscheinen des Buches entschlossen sich Pfarrer Mag. Karl Sperka und Bürger-meister Manfred Kalchmaier, ein Mahnmal für die in der Gemeinde ermordeten Opfer des NS-Regimes zu setzen.
Im Zusammenwirken von Gemeinde, Pfarre und Mauthausen Komitee Steyr, vertreten durch Mag. Karl Ramsmaier, entwarf der Sierninger Bildhauer Mag. Karl Reiter eine schlichte, aussa-gekräftige Gedenkstätte und gestaltete das Massengrab neu. Der Hinweis „erschöpft – erschlagen – erschossen“ bezeugt das Schicksal der hier bestatteten Opfer. 23 zugeklappte Täfelchen erin-nern daran, dass den Verfolgten bewusst ihre Identität genommen wurde, sodass wir auch heute ihre Namen nicht kennen. Drei aufgeklappte kleine Tafeln tragen die Namen derer, die im Laufe der Nachforschungen identifiziert werden konnten.
Das Mahnmal am Eingang des Friedhofs in unmittelbarer Nähe des Exekutionsortes der ungari-schen Juden weist durch die Einschusslöcher auf die dort stattgefundenen Erschießungen am 19.April 1945 hin. Die erwähnte Zahl „10 Opfer“ wurde einem Exhumierungsprotokoll vom 14.März 1946 entnommen. Zeitzeugen sprechen von mehr jüdischen Opfern, was aber durch Archivquellen bisher nicht belegt werden konnte.
Dieses Mahn-Denk-Mal für die ungarischen Juden im Eingangsbereich wird in einem feierlichen Gedenkakt am 26.Oktober 2017 um 17 Uhr enthüllt und das neu gestaltete Massengrab an der Südseite des Friedhofs in einer Lichterprozession besucht.
Damit ist nach Kirchdorf, wo seit 2015 vor der evangelischen Kirche ein Denkmal steht, in ei-nem weiteren Ort, durch den diese Todeskolonne im April 1945 getrieben wurde, ein Erinne-rungszeichen gesetzt und wenigstens drei KZ-Opfern ihre Identität, die ihnen bewusst geraubt wurde, zurückgegeben.
Es soll aber auch uns Nachgeborene zu Zivilcourage ermutigen, nicht wegzuschauen, wenn Aus-grenzung, Diskriminierung, Unrecht geschehen.
Literatur: Ines Bernt-Koppensteiner (ed.), nirgendwohin. Todesmärsche durch Oberösterreich 1945. Eine Spuren-suche in die Zukunft (Verlag Ennsthaler Steyr 2015)