Gott verstehen …?

Ponte vecchio, Florenz

Bilder schwirren mir durch den Kopf, Bilder von Urlaubsreisen nach Mailand, Siena, Florenz; schöne Erfahrungen in einem schönen, idyllischen Land, voll gastfreundlicher Menschen. Dazwischen drängen sich unerbittlich die Bilder von Kranken in den Intensivstationen der Lombardei, von überlastetem Krankenhauspersonal, von Särgen, die mit Militärfahrzeugen weggebracht werden; alles vermischt mit Berichten über Sterbende, die ohne Abschied von den geliebten Menschen ersticken.
Da schreit das Warum in mir laut auf. Warum müssen gerade die Menschen, die nach dem 2. Weltkrieg das Land aufgebaut haben, auf diese Weise sterben? Eine Vielzahl von Warum schließen sich an, die besser ungesagt bleiben.
Doch dann kommt mir der Losungsvers vom letzten Dienstag in den Sinn:

Gott ist gerecht in allen seinen Wegen und gütig in allen seinen Taten
(Psalm 145, 17)

Kann ich das glauben? Alles in mir sträubt sich dagegen, denn die gerade erfahrene Realität scheint dagegen zu stehen.
In mir ist ein gordischer Knoten, den zu lösen unmöglich erscheint. Ich hadere mit mir und mit Gott.

Bis mir klar wird:
Will ich das glauben, will ich Gott vertrauen? Das ist die entscheidende Frage und gleichzeitig auch die Antwort.
Weitere Worte aus der Bibel schaffen sich Raum in mir:

Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR; sondern soviel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind auch meine Wege höher denn eure Wege und meine Gedanken denn eure Gedanken.
(Jes. 55, 8,9)

und aus Hiob

Du hast gefragt:
›Wer bist du, dass du meine Weisheit anzweifelst
mit Worten ohne Verstand?‹
Ja, es ist wahr:
Ich habe von Dingen geredet, die ich nicht begreife,
sie sind zu hoch für mich und übersteigen meinen Verstand.
(Hiob 42,3)

und

Jesus Christus spricht: Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende
(Matth. 28, 16-20)

Die Fragen – und sie werden vermutlich bald auch Österreich betreffen – und der Schmerz sind geblieben, aber ich will Jesus vertrauen, dass er das, was geschieht letztlich zu einem guten Ende führt. Ich möchte jetzt alle, die so oder ähnlich denken, ermutigen, ihr Vertrauen auf Jesus Christus zu richten und mutig in die nächsten Wochen zu gehen.

In Gottes Hand geborgen

Derzeit lese ich die Psalmen; jeden Tag einen. Mir ist dabei wichtig, etwas von der Lebenssituation der Beter und ihrer Beziehung zu Gott erfahren und das in mein Leben zu integrieren.

Von Jean Colombe – Photo. R.M.N. / R.-G. Ojéda

Hilferuf eines Angefochtenen
1 Ein Psalm Davids, vorzusingen.
2 HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir?
3 Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele / und mich Ängsten in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben?
4 Schaue doch und erhöre mich, HERR, mein Gott! Erleuchte meine Augen, dass ich nicht im Tode entschlafe,
5 dass nicht mein Feind sich rühme, er sei meiner mächtig geworden, und meine Widersacher sich freuen, dass ich wanke.
6 Ich traue aber darauf, dass du so gnädig bist; / mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst. Ich will dem HERRN singen, dass er so wohl an mir tut.

Der Psalm 13 passt sehr gut zu der Situation, in der wir uns durch die Corona-Pandemie befinden. Sie macht uns Angst, vor dem Ungewissen, vor der Unberechenbarkeit, vor den unvorhersehbaren Konsequenzen. Die Nachrichten in den Medien verstärken unsere Ängste, die notwendigen und sinnvollen Maßnahmen der Regierung sind nachvollziehbar, doch sie machen auch die konkrete Bedrohung deutlich.

Auch David befindet sich in einer bedrückenden und offensichtlich bedrohlichen Situation, die er stark wahrnimmt. Er betet zu Gott, aber sein Herz und seine Sinne sind noch in der Bedrohung gefangen. Er wähnt sich von Gott verlassen.

Erst langsam kann David im Gebet Mut fassen. Schritt für Schritt erinnert er sich an Gottes bisherige Hilfe. Je mehr diese Gedanken in ihm Platz greifen, desto mutiger wird er und kann an Gott konkrete Bitten stellen, bis er schließlich im Vertrauen auf Gottes Hilfe zu einem Lob Gottes findet.

Möge es uns in gleicher Weise wie David gelingen, unsere Sorgen und Nöte Gott anzuvertrauen, wenn uns in diesen Tagen der Isolierung die Angst vor dem „unbekannten Feind“ festzuhalten droht. Es zählt nicht, was uns Zeitungen in ihrer journalistischen Sensationsgier vorgaukeln, sondern das, was Gott uns schenken möchte. Wir dürfen Gott vertrauen. Unser Schicksal liegt in seiner Hand. Lasst uns an dieser Zuversicht festhalten, wenn Jesus Christus uns zuruft: Ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Mt. 28, 16-20)!

In herzlicher Verbundenheit,

Dieter Paesold